Sicher ist jeder Ärztin und jedem Arzt der Marburger Bund ein Begriff. Als Berufsverband tritt dieser für die Belange seiner Mitglieder*innen ein. Er verhandelt Tarifverträge oder unterstützt bei arbeitsrechtlichen Fragen.
Neben diesen Themen, findet sich beispielsweise auf der Webseite des Marburger Bundes der Hinweis darauf, dass den Mitglieder*innen über die “Marburger Bund Treuhandgesellschaft” ein besonderer Finanz- und Versicherungsservice angeboten wird.
Mit Klick auf die Kachel wird darauf hingewiesen, dass man als Mitglied des Marburger Bundes von vergünstigten Versicherungstarifen in verschiedenen Bereichen profitieren kann. Macht man sich die Mühe und geht auf die Suche danach, was denn damit konkret gemeint ist, stößt man im Weiteren darauf, dass es Kooperationen mit den ausgewählten Partnern Allianz, der Deutschen Ärzteversicherung und der apoBank gibt.
Es wird also der Eindruck erweckt, dass man als Arzt oder Ärztin besonders gut bei diesen Gesellschaften aufgehoben ist, da diese ja vom Berufsverband empfohlen werden. Warum das so praktiziert wird mag kritisch stimmen, da es sich an dieser Stelle keinesfalls um eine unabhängige Beratung handelt, die in der Lage ist, im Markt nach den für die Kundinnen und Kunden am besten geeignetsten Produkten zu suchen.
Bietet der Marburger Bund Beratung zu Versicherungen und Finanzen an?
Tatsächlich ist es so, dass der Marburger Bund selbst keine Beratung durchführt und dies im Übrigen rein rechtlich auch nicht tun darf. Wenn ein Berater oder eine Beraterin die Aussage tätigt, dass er oder sie vom Marburger Bund kommt und eine Beratung zu Versicherungs- und Finanzprodukten anbietet, ist diese Aussage schlichtweg falsch. Es wird so getan, als sei man vom Berufsverband, da es sich hierbei um einen “guten Namen” handelt. In unserer täglichen Arbeit erleben wir leider immer wieder, dass vielen jungen Ärztinnen und Ärzten nicht klar ist, wer ihr Berater oder ihre Beraterin im rechtlichen Sinne ist und welche Interessen hinter den Produktempfehlungen stehen.
Zwar gibt es mit dem WVD noch den Wirtschafts- und Versicherungsdienst des Marburger Bundes, dennoch handelt es sich hierbei klar nicht um den Marburger Bund als solches. Das klingt vielleicht etwas spitzfindig, was es damit aber auf sich hat, dazu kommen wir später noch.
Für den Finanz- und Versicherungsservice gibt es eine separate Firma, die Marburger Bund Treuhandgesellschaft mbH. Diese Gesellschaft schließt u.a. mit den genannten Versicherungen “Gruppenverträge” ab. Das führt dazu, dass man beispielsweise über seine Mitgliedschaft beim Marburger Bund eine PKV bei der Allianz etwas günstiger bekommen kann oder bei seiner Haftpflichtversicherung bei der Deutschen Ärzteversicherung etwas spart. Als weiterer Vorteil wird von einem kostenlosen Girokonto bei der apoBank gesprochen. Diese Vorteile sind ohne Wenn und Aber als Vorteil zu bezeichnen, wenn man unbedingt seine PKV bei der Allianz, seine BU bei der Deutschen Ärzteversicherung oder sein Girokonto bei der apoBank haben möchte. Ob aber die genannten Versicherungsgesellschaften und deren Tarife das Beste sind, was der Markt zu bieten hat, steht auf einem anderen Blatt.
Im Ergebnis bedeutet das, dass der Marburger Bund als eingetragener Verein über eine Treuhandgesellschaft mbH eine Firma als Vehikel nutzt, um im Bereich der Versicherungen und Finanzen vermeintliche Vorteile für seine Mitglieder*innen zu erwirken.
Ein gewisser Eigennutz darf an dieser Stelle unterstellt werden, so weist die Bilanzsumme der Marburger Bund Treuhandgesellschaft mbh im Jahresabschluss zum Geschäftsjahr 2020 eine Bilanzsumme von 10.624.384,79 € aus.
Dies Summe wurde mit gerade mal 14 Mitarbeiter*innen erwirtschaftet, die allesamt in der Verwaltung tätig sind. Als Geschäftsführer wird u.a. Herr Dipl.-Kfm. Armin Ehl genannt. Dieser Name begegnet uns wieder beim Marburger Wirtschaftsdienst. Nachzulesen sind die genannten Zahlen im öffentlich und zum Teil kostenlos nutzbaren Unternehmensregister.
Was ist der Marburger Wirtschaftsdienst?
Der Wirtschafts- und Versicherungsdienst (WVD) des Marburger Bundes ist eine Organisation, die sich auf die Beratung und Betreuung von Ärzten in wirtschaftlichen und versicherungstechnischen Fragen spezialisiert hat. Hier wird nun explizit davon gesprochen, dass eine Beratung erfolgt. Dieser Dienst ist nach Regionen unterteilt. Beispielhaft nehmen wir hier Bezug auf den WVD der Region Berlin / Brandenburg den “WVD Wirtschafts- und Versicherungsdienst des Marburger Bundes Berlin/Brandenburg GmbH“.
Wenn man sich die Frage stellt, mit wem man es hier zu tun hat, hilft in der Regel ein Blick ins Impressum weiter. Dort ist zwar Stand heute 24.01.2023 keine eigentlich rechtlich verpflichtende Erstinformation zu finden, aber es werden Personen genannt, die als Repräsentanten des WVD und der Deutschen Ärzte Finanz (Mehrfachvermittler), als Vermittler und ungebundene Versicherungsvertreter und mit einer Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO geführt werden.
Im rechtlichen Sinne handelt es sich bei den Vertretern der Deutschen Ärztefinanz (DÄF) um Ausschließlichkeitsvertreter der Axa im Bereich der Lebens- und Rentenversicherung. Im Bereich der Krankenversicherung sind es theoretisch Mehrfachvertreter. Dieser Umstand ist wichtig, denn dies führt schon per gesetzlicher Definition dazu, dass sie nicht unabhängig beraten können:
§59 II VVG: (2) Versicherungsvertreter im Sinn dieses Gesetzes ist, wer von einem Versicherer oder einem Versicherungsvertreter damit betraut ist, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen.
Es ist nicht zu erwarten und rechtlich nicht nötig, dass ein Berater oder eine Beraterin einem Arzt oder einer Ärztin ein anderes Produkt empfiehlt, als ein solches, das primär vorgegeben ist. Konkret bedeutet es, dass nahezu immer Produkte folgender Versicherer angeboten werden:
Berufsunfähigkeitsversicherung: Deutsche Ärzteversicherung
Rentenvorsorge: Deutsche Ärzteversicherung
PKV: Axa
Krankenzusatzversicherung: Axa
Haftpflichtversicherung: Deutsche Ärzteversicherung oder Axa-Privathaftpflicht
Weitere Sachversicherungen wie Hausrat etc.: Axa
Rechtsschutzversicherung: Roland (die Axa ist bei der Roland beteiligt)
Im Impressum des WVD Wirtschafts- und Versicherungsdienst des Marburger Bundes Berlin/Brandenburg GmbH wird u.a. wieder Herr Dipl.-Kfm. Armin Ehl genannt. Herr Ehl ist zusätzlich auch Geschäftsführer beim Bundesverband des Marburger Bundes:
Bildquelle: https://www.marburger-bund.de/bundesverband/der-marburger-bund/ihre-ansprechpartner/hauptgeschaeftsfuehrung
Verdient der Marburger Bund an den Provisionen?
Unserer Branche (Finanzdienstleistung) wird immer wieder vorgeworfen, man würde die Kundinnen und Kunden nicht in deren Interesse beraten und häufig nur Produkte vermitteln, die hohe Provisionen bringen. Selbstverständlich darf ein Arzt oder eine Ärztin erwarten, dass gerade das im Besonderen nicht der Fall ist, wenn eine Beratung über einen vom Berufsverband empfohlenen Dienstleister erfolgt. Immerhin verlangt der Berufsverband selbst Mitgliedsbeiträge in entsprechender Höhe, so dass eine möglicher "Querverdienst" sicher auszuschließen ist. Oder?
Offensichtlich sieht der Marburger Bund dies ähnlich, denn auf Nachfrage durch einen Journalisten heißt es seitens des Marburger Bundes in einem Interview, welches bereits aus 2015! datiert, man würde nicht an den Provisionen der Kooperationspartner partizipieren. Diese Aussage wird korrekt sein, da die Provisionen nicht direkt beim Marburger Bund e.V. ankommen. Auch wenn doch die gleiche handelnde Person die Geschäftsführung beim Verein, bei der Treuhandgesellschaft und beim Wirtschaftsdienst innehat:
Auch wird bescheinigt, man würde die Partner des WVDs darum bitten, “ihre Selbstdarstellung in Werbemitteln und im Internet kritisch zu überprüfen, damit der Verbraucher die ihm zustehende Information umfassend und verständlich erhält. Die Verpflichtungen aus § 11 VersVermV sind den WVD bekannt.”
Stand 24.01.2023 findet sich auch beispielsweise bei dem Ableger des WVD in Bayern bis heute keine Erstinformation, die über den rechtlichen Rahmen der angebotenen Beratungsdienstleistung aufklärt.
Es wird zwar auf das Vermittlerregister hingewiesen, in dem man dies nachlesen könnte. Wie die dazu passende Nummer lautet, bleibt aber ein Geheimnis.
Es bleibt der Eindruck, dass es in der Angelegenheit der Verknüpfung von Marburger Bund und dessen kooperierender Finanzdienstleiter mit der Transparenz nicht weit her ist.
Nach unserer Erfahrung, ist vielen Ärzt*innen die eine Finanzberatung beim WVD oder der Ärztefinanz genutzt haben nicht klar, dass es sich um rechtlich selbstständige Unternehmen handelt. Häufig heißt es auf unsere Nachfrage nach bisheriger Beratungserfahrung, man sei schon beim Marburger Bund beraten worden. Der gute Name wird massiv missbraucht, um das Vertrauen junger Ärztinnen und Ärzte zu gewinnen.
Wir sagen nicht, dass es sich pauschal um schlechte Produkte handelt, die hier vermittelt werden. Aber ob es sich tatsächlich um die für die Kundinnen und Kunden beste Lösung handelt, darf kritisch hinterfragt werden. Auch halten wir die unzureichend transparente Aufklärung der Kund*innen darüber, mit wem sie es eigentlich zu tun haben, für mehr als grenzwertig.
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